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Der Eintritt eines Blackout wird mit jedem Tag wahrscheinlicher!

Die Eintrittswahrscheinlichkeit für gravierende Ereignisse wie einen Blackout: Ein falscher Maßstab

 

In der modernen Welt, in der uns Technologie und Wissenschaft enorme Fortschritte ermöglicht haben, neigen wir dazu, uns sicher und geschützt zu fühlen. Doch wie Nassim Nicholas Taleb in seinem Buch "Narren des Zufalls" eindrucksvoll darlegt, ist das Vertrauen in Wahrscheinlichkeiten und Berechnungen oft trügerisch, besonders wenn es um seltene, aber gravierende Ereignisse wie einen großflächigen Blackout geht.

 

Die Illusion der Kontrolle durch Wahrscheinlichkeiten

 

Ein weit verbreiteter Irrglaube ist, dass wir durch die Berechnung der Eintrittswahrscheinlichkeiten für verschiedene Ereignisse Kontrolle über diese erlangen können. Das mag für häufige, alltägliche Ereignisse stimmen, aber bei seltenen Katastrophen versagen diese Modelle oft. Der Grund dafür ist einfach: Je seltener ein Ereignis ist, desto weniger Daten haben wir, um zuverlässige Wahrscheinlichkeiten zu berechnen. Infolgedessen sind unsere Schätzungen oft ungenau und führen zu einem falschen Sicherheitsgefühl.

 

Die Unsichtbaren Risiken

 

Wie Taleb hervorhebt, sind es oft die "Schwarzen Schwäne" – Ereignisse, die extrem unwahrscheinlich, aber mit enormen Konsequenzen verbunden sind – die unsere Welt erschüttern. Ein großflächiger Blackout ist ein perfektes Beispiel für einen solchen Schwarzen Schwan. Obwohl die Wahrscheinlichkeit eines Blackouts statistisch gesehen gering erscheinen mag, sind die potenziellen Auswirkungen verheerend. Indem wir uns zu sehr auf Wahrscheinlichkeiten verlassen, laufen wir Gefahr, diese Risiken zu unterschätzen und unvorbereitet getroffen zu werden.

 

Die steigende Wahrscheinlichkeit mit jedem Tag

 

Ein entscheidender Punkt, der oft übersehen wird, ist, dass die Eintrittswahrscheinlichkeit eines seltenen Ereignisses mit jedem Tag, an dem es nicht eintritt, steigt. Dies ist auf das Prinzip der kumulativen Wahrscheinlichkeit zurückzuführen. Wenn ein Ereignis eine geringe tägliche Wahrscheinlichkeit hat, nicht statisch bleibt, sondern sich über die Zeit aufbaut. Jeder Tag ohne Blackout erhöht die statistische Wahrscheinlichkeit, dass ein solcher Vorfall früher oder später eintreten wird. Diese dynamische Perspektive unterstreicht die Dringlichkeit, sich nicht auf vergangene Stabilität zu verlassen, sondern kontinuierlich auf mögliche Krisen vorbereitet zu sein.

 

Der Survivorship Bias und Krisenmanagement

 

Ein weiterer Aspekt, den Taleb beleuchtet, ist der Survivorship Bias – die Tendenz, sich auf erfolgreiche Beispiele zu konzentrieren und gescheiterte Fälle zu ignorieren. In Bezug auf die Stromversorgung bedeutet dies, dass wir die stabilen Perioden ohne Blackouts als Norm betrachten und die möglichen Ausfälle vernachlässigen. Diese verzerrte Wahrnehmung führt zu einer unzureichenden Vorbereitung auf seltene, aber gravierende Krisen.

 

Die Bedeutung robuster Systeme

 

Anstatt uns auf Wahrscheinlichkeiten zu verlassen, sollten wir uns auf die Robustheit unserer Systeme konzentrieren. Ein robustes System ist widerstandsfähig gegenüber unvorhergesehenen Ereignissen und kann deren Auswirkungen abmildern. Für die Stromversorgung bedeutet dies, dass wir Notfallpläne, Redundanzen und regelmäßige Simulationen benötigen, um uns auf den Ernstfall vorzubereiten. Talebs Konzept der "Antifragilität" – die Fähigkeit, durch Unsicherheiten und Störungen zu wachsen und stärker zu werden – bietet hier wertvolle Anleitungen.

 

Fazit

 

Die Berechnung von Eintrittswahrscheinlichkeiten für gravierende Ereignisse wie einen Blackout ist ein trügerischer Maßstab, da seltene Ereignisse schwer vorhersehbar sind und ihre Auswirkungen verheerend sein können. Zudem steigt die Wahrscheinlichkeit eines solchen Ereignisses mit jedem Tag, an dem es nicht eintritt. Statt uns auf statistische Wahrscheinlichkeiten zu verlassen, sollten wir uns auf die Schaffung robuster und widerstandsfähiger Systeme konzentrieren. Talebs Erkenntnisse aus "Narren des Zufalls" erinnern uns daran, dass echte Sicherheit nicht in der Berechnung von Wahrscheinlichkeiten liegt, sondern in der Fähigkeit, mit dem Unvorhersehbaren umzugehen und daraus gestärkt hervorzugehen.

 

Robert Jungnischke, CERT-Europe Association

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