In einem aufrüttelnden Interview mit der Weltwoche äußerte sich der serbische Präsident Aleksandar Vucic zur aktuellen Situation in der Ukraine und der wachsenden Kriegsgefahr in Europa. Seine Worte zeichnen ein düsteres Bild einer möglichen Eskalation, die schlimmer sein könnte als der Zweite Weltkrieg.
Eskalationsgefahr in der Ukraine
Vucic betonte, dass er sich deutlich von vielen westlichen Politikern unterscheidet, da er den Frieden anstrebt, während andere auf den Sieg einer bestimmten Seite setzen. Diese unterschiedliche Herangehensweise beeinflusst seine Sicht auf die Situation erheblich. Er beschreibt die derzeitige Lage als zunehmend gefährlich und zieht einen Vergleich mit den düsteren Vorhersagen des Historikers Alan J. P. Taylor: „Der Zug ist abgefahren, und niemand kann ihn aufhalten.“ Vucic glaubt, dass wir uns auf eine echte Katastrophe zubewegen, wenn die Großmächte nicht aktiv werden.
Putin und die roten Linien
Auf die Frage nach den roten Linien von Präsident Putin und den westlichen Waffenlieferungen an die Ukraine, zeigte sich Vucic vorsichtig. Er betont, dass es gefährlich sei, Putins Drohungen als Bluff abzutun, da man nie sicher sein könne, welche Karten die andere Seite tatsächlich hält. Vucic sieht die jüngsten Eskalationen als Beitrag zu einer weiteren Verschlechterung der Situation, was letztlich niemandem helfe.
Komplexe Hintergründe und die Rolle des Westens
Vucic stellt fest, dass die Situation viel komplexer sei, als sie oft dargestellt wird. Er verweist auf die Parallelen zwischen der aktuellen Lage und den Ereignissen in Serbien 1999 und 2008, als westliche Mächte in den Kosovo-Konflikt eingriffen. Putin habe den Präzedenzfall Kosovo angeführt, was die Diskussion weiter verkompliziert. Für Vucic ist klar, dass es an angemessenen Antworten von Seiten des Westens mangelt, was die Spannungen weiter verschärft.
Ein verbotener Frieden
Erschreckend findet Vucic die Tatsache, dass niemand mehr über Frieden spricht. Frieden sei fast zu einem verbotenen Wort geworden, da viele glauben, dass nur ein Sieg den zukünftigen Frieden sichern könne. Diese Einstellung hält er für gefährlich und kontraproduktiv. Er plädiert dafür, dass man alles versuchen sollte, um Kriegstreiberei zu stoppen und einen Waffenstillstand zu erreichen.
Die realistische Einschätzung der Kriegsgefahr
Vucic ist überzeugt, dass weder der Westen noch Russland sich eine Niederlage leisten können. Für den Westen steht das politische Erbe und die geopolitische Stellung auf dem Spiel, während Putin bei einer Niederlage alles verlieren würde, einschließlich des russischen Territoriums und seiner eigenen Macht. Dies führt zu einer gefährlichen Patt-Situation, bei der beide Seiten immer weiter eskalieren könnten.
Fazit
Das Interview mit Präsident Vucic zeichnet ein besorgniserregendes Bild der aktuellen Lage in der Ukraine und der möglichen Auswirkungen auf Europa. Seine Aufforderung, den Fokus auf Frieden und Verhandlungen zu legen, statt auf militärische Siege, sollte ernst genommen werden. Die drohende Eskalation könnte katastrophale Folgen haben, und es liegt an den Großmächten, rechtzeitig einzuschreiten und einen friedlichen Ausweg zu finden.
Robert Jungnischke, Präsident der CERT-Europe Association
Das gesamte Interview in der Weltwoche mit Roger Köppel finden sie hier: «Ich bin mir ziemlich sicher, wir werden eine Katastrophe erleben» (weltwoche.de)
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